Wer seine Außenwelt, wer seine Umgebung als 'Landschaft' sieht, lässt sich von der Absicht leiten, Außenwelt, Umgebung als 'Landschaft' sehen zu wollen. Und Sehen heißt dabei: Hervorbringen, durchaus schöpferisch, durchaus kreativ. Unsere Metaphern entlarven auf jeden Fall unsere Selbsttäuschungen bei der Beschreibung von 'Landschaft': überwältigend, großartig, lieblich, rau, melancholisch, heiter, still, bizarr, malerisch etc. Diese Vokabeln beweisen geradezu, dass man nur so und nicht grundsätzlich anders sehen kann.
Landschaften lassen sich, historisch betrachtet, überhaupt erst sehen, seitdem die Wahrnehmung absichtsvoll ästhetisiert. Gewisse Übertreibungen in Kauf nehmend, kann man sagen: Landschaft sei erstmals erfunden worden von Francesco Petrarca (1304-1374) in seiner berühmten Beschreibung der Mont-Vertoux-Besteigung.
'Landschaft' ist ein Bildungsprodukt und eine Unterscheidungsleistung: Eine Figur wird von einem Hintergrund getrennt. 'Landschaft' ist eine Konstruktion des zu ihr hingehenden, des sie absichtsvoll aufsuchenden Beobachters. Naturvölker haben zwar eine Außenwelt, eine Umgebung, gegebenenfalls auch eine Natur, aber sie haben ebenso wenig eine Landschaft wie ein Kind im Vorschulalter.